April 2020

Der Ausbruch des Laacher See Vulkans und seine Auswirkungen in Schleswig-Holstein

Sascha Krüger M.A.

Im Rahmen des Promotionsprojektes wurden in diesem Jahr die palynologischen und tephrochronologischen Analysen der Sedimente des Nahe Paläosees (Kreis Segeberg, Abb. 1) abgeschlossen. Zu den wichtigsten Ergebnissen zählt dabei, dass insgesamt drei mikroskopische Vulkanaschelagen, sogenanntes Cryptotephra Abb. 2, gefunden werden konnte.

Bei Cryptotephra handelt es sich um winzige Partikel glasähnliche Verbindungen, die im Falle der hier gefundenen Lagen sogar morphologisch unterschieden werden können. Sie bieten zeitparallele Markierungs-Horizonte die genaue Korrelationen zwischen stratigraphische Sequenzen zulassen. Dies liegt darin begründet, dass Vulkanausbrüche und die damit verbundene Ablagerung der Asche über einen großen Gebiet in einem geologisch gesehen extrem kurzen Zeitfenster passiert und damit als zeitlich synchron gelten kann. Die Anwendung solcher Marker-Horizonte ist besonders wertvoll bei der Interpretation spätglazialer und früh-Holozäner Schichten (etwa im Zeitraum zwischen 15.000 bis 10.000 vor heute). Die Korrelation und Datierung von Sequenzen aus dieser Zeit mit Hilfe der Radiokarbondatierung allein ist schwierig und mit zahlreichen Unsicherheiten behaftet. Die Nutzung der Tephrochronologie bietet hier eine zusätzliche zeitliche Sicherheit, aber auch unabhängige Korrelationsmöglichkeit.

In den Sedimenten des Nahe Paläosees wurden Partikel der Saksunarvatn Asche (etwa 10.250 vor heute), der Vedde Asche (etwa 12.050 vor heute) und der Laacher See Tephra (Abb. 3, etwa 12.900 vor heute) gefunden. Vedde und Saksunarvat sind Eruptionen isländischer Vulkansysteme. Die Laacher See Eruption geschah hingegen im Herzen Europas und ist die schwerste vulkanische Eruption des Spätglazials.

Das eruptive Zentrum – der heutige Laacher See nahe Koblenz – liegt etwa 500 km südwestlich des Nahe Paläosees. Bisher wurden keine Spuren der Laacher See Tephra nordwestlich des Hämelsees (Niedersachsen) entdeckt. Die Untersuchungen der Sedimente des Nahe Paläosees setzen nun einen weiteren Fundpunkt auf die Landkarte, deutlich außerhalb des bekannten Aschefächers (Abb. 4). 

Die Laacher See Tephra ist als mikroskopische Lage in eine jahresgeschichtete Sequenz der gewonnenen Bohrkernsedimente eingebettet. Dadurch ist gewährleistet, dass mithilfe einer breiten Palette interdisziplinärer Analysen (geochemisch, sedimentologisch, palynologisch) auch der Einfluss des Ausbruches von etwa 12.900 Jahren vor heute auf die lokale Umwelt des Nahe Paläosees untersucht werden konnte.

Die Ergebnisse der geochemischen und sedimentologischen Untersuchungen, welche von Stefan Dreibrodt (CAU) durchgeführt wurden, zeigen eine unmittelbare Reaktion des Seesystems auf die Eruption des Laacher See Vulkans (LSE). Unwetter und Starkregenereignisse sind wahrscheinliche Auslöser erhöhter Erosion der Ufersedimente und vermehrten Eintrages aus dem Einzugsgebiet des Sees in den ersten vier Jahren nach der Eruption. Eine Versauerung des Seesystems bis 50 Jahre nach dem Ausbruch ist das Resultat des eingetragenen schwefelhaltigen Aerosols.

Die Änderung des pH-Wertes verschob deutlich die Voraussetzungen für das Wachstum verschiedener Kiesel- und Grünalgen (u.a. Pediastrum sp. und Botryococcus sp.). Ein Wechsel in der Algenflora und damit in der Nahrungskette, könnte dazu geführt haben, dass sich auch eine Änderung in der Zusammensetzung der Fischarten des Seesystems ergeben hat.

Aus der Sicht spätglazialer Jäger und Sammler auf dem Gebiet des heutigen Schleswig-Holsteins ist diese Veränderung des Nahrungsangebotes neben den starken Unwettern unmittelbar nach der Eruption die einzig wahrnehmbare Auswirkung auf die lokale Umwelt. Veränderungen in der Zusammensetzung der lokalen Vegetation lassen sich nicht aus den Ergebnissen der Pollenanalysen ableiten.

Die erhobenen Daten belegen außerdem das Einsetzen stärkerer Westwinde ab 120 Jahren nach der Eruption. Die Verlagerung dieser Winde nach Süden (von Skandinavien nach Mitteleuropa) ist für eine frühere Phase (40 Jahre nach LSE) in Norwegen und für eine spätere Phase (200 Jahre nach LSE) für Südwestdeutschland belegt. Damit fügen sich die Ergebnisse aus dem Nahe Paläosee in bisherige Untersuchungen ein und sind in der Lage, die Geschwindigkeit dieser südwärts gerichteten Verschiebung der Winde zu bestimmen:

Zwischen 40 und 120 Jahren nach der LSE (von 62° N nach 53.5° N) ca. 12 km pro Jahr und zwischen 120 und 200 Jahren nach der LSE (von 53.5° N nach 50 ° N) ca. 5 km pro Jahr.