Bildpraktiken zwischen Weltbildern und Normsetzungen, Workshop zur Methodik der Bildforschung, 28.02.-1.03.2023, Mainz

Internationaler Workshop zur Archäologischen Bildwissenschaft mit ausgewählten Gästen aus verschiedenen  Fachdisziplinen, organisiert in Kooperation von ZBSA und LEIZA.

Attackiert, zerstochen, zusammengeknüllt: Goldbrakteat des 5./6. Jhs. aus Söderby, Schweden. Warum wurde der schöne Anhänger derartig malträtiert? Foto: SHM Stockholm

Wenn riesige Buddhastatuen und Tempel gesprengt, wenn im Krieg die Denkmäler der Besiegten niedergerissen oder unerwünschte Flaggen verbrannt werden, handelt es sich um bewusste Akte der Manipulation und Zerstörung von Bildern. Es geschieht, weil bestimmte Bilder ganz konkret politische, religiöse oder kulturelle Tatsachen spiegeln, die in diesem Moment von den handelnden Menschen als unangemessen betrachtet werden.
Solche Phänomene lassen sich überall auf der Welt beobachten. In unserem Projekt möchten wir Bildquellen aus dem frühmittelalterlichen Europa nutzen, die Hinweise auf die Akzeptanz, Veränderung oder Ablehnung von Bildern und den damit vermittelten Wertvorstellungen und Normen in archäologischer Perspektive geben. Auch Transfer- und Rezeptionsprozesse, also z.B. die Übernahme römischer Bildkonventionen in die germanische Ikonographie, spielen eine Rolle. Als Bildpraxis verstehen wir dabei den konkreten Umgang mit Bildern und bildtragenden Objekten sowie ihre praktische Handhabung in einem spezifischen gesellschaftlichen Kontext.

Der Workshop in den neuen Räumlichkeiten des RGZM/LEIZA in Mainz ist der zweite in einer Reihe von fachwissenschaftlichen Zusammenkünften (der erste fand am 4./5. Oktober 2021 in Schleswig statt). Diese laufen im Rahmen eines langfristig angelegten Projektes, dessen Ziel es ist, die Ableitung allgemeiner Zugänge und Werkzeuge für ein zweckbezogen-funktionales wie dann auch semantisches Verständnis von alten Bilddarstellungen zu ermöglichen. Denn trotz vielfacher wissenschaftlicher Erkenntnisse und theoretischer wie auch methodischer Fortschritte der letzten Jahre fehlt es an generellen, allgemeingültigen und anerkannten Grundsätzen, welche möglichst gesicherte methodische Zugangswege zu einer unvoreingenommenen Bilddeutung eröffnen. Es geht um die Suche nach methodisch fundierten Werkzeugen zu einer archäologischen Hermeneutik. Dazu stellen wir verschiedene gebräuchliche Methoden gegenüber, die in ganz unterschiedlichen Forschungsfeldern und Fachbereichen erprobt worden sind, und hinterfragen und diskutiert sie kritisch. Bewusst geht die Perspektive über den europäischen Horizont hinaus.

Rekontextualisierung: Der Gotländische Bildstein Bro Kyrka aus dem 5. Jh. wurde im 13. Jahrhundert rechteckig zugehauen und dann in Seitenlage in einer Kirchenwand eingemauert. Foto: S. Oehrl.

Programm:
Bildpraktiken zwischen Weltbildern und Normsetzungen
Leibniz Zentrum für Archäologie, Mainz

Dienstag, 28. Februar 2023
15.00 Begrüßung
15.30 Christoph Huth (Freiburg): Figurationen der Kupfer- und Eisenzeit und ihr archäologischer Aussagewert
16.00 Holger Baitinger (Mainz): Frühe vollplastische Bildwerke nördlich der Alpen – ein Beitrag zu Kulturkontakten in der Hallstatt- und Frühlatènezeit
16.30 Kaffeepause
16.45 Martin Schönfelder (Mainz): Frühe keltische Kunst: Probleme bei der Interpretation von Knollennasen und Fabelwesen
17.15 Thorben Frieling (Hamburg): Mutterlos – Athenageburt im Wandel
17.45 Annette Haug (Kiel): Zwischen den Welten wandern: Bilder als Mediatoren
Ab 19.00 gemeinsames Abendessen

Mittwoch 1. März 2023
9.00 Charlotte Behr (London): Provinzialrömische Skulpturen von Götterbildern im kolonialen Kontext
9.30 Alexandra Pesch (Schleswig): Handhabung und Behandlung der merowingerzeitlichen Goldblechfiguren
10.00 Benjamin Fourlas und Stefan Albrecht (Mainz): Kirchenpolitisch-dogmatische Normsetzungen als Triebfeder für Bildschöpfungen, -manipulationen und -zerstörungen in Byzanz (6.-9. Jh.)
10.45 Kaffeepause
11:00 Michaela Helmbrecht (München): Re-Präsentation des Göttlichen: Einäugige Figuren der Vendel- und Wikingerzeit in Skandinavien
11.30 Sigmund Oehrl (Stavanger): Die Bildsteine Gotlands und ihre Wiederverwendung in christlicher Zeit
12.00 Renate Heckendorf (Hamburg): Vom Winde verweht – Verwitterung und Zerstörung von Petroglyphen
12.30 Abschlussdiskussion und Imbiss