Bildersprache
Prof. Dr. Alexandra Pesch
Dieses Projekt ist eine Summe aus zahlreichen Einzelarbeiten zu Forschungen über die germanische Ikonographie des ersten Jahrtausends n. Chr. Dazu zählen etwa Expertisen, die auf Anfragen von außen über Neufunde oder Forschungsprobleme gestellt werden, Publikationen von kleineren Beiträgen über Neufunde oder allgemeine Bildforschung sowie die Vortragstätigkeit auf Einladung anderer Institutionen. Auch die Betreuung des wissenschaftlichen Nachlasses Karl Haucks (s.u.) geschieht in diesen Rahmen.
Im Mittelpunkt des Projekts steht die Erforschung der germanischen Bildersprache. Diese ist der authentische Ausdruck der germanischen Kulturen des ersten Jahrtausends in Nordeuropa. Ornamente, Symbole, figürliche und szenische Darstellungen finden sich mit charakteristischen Merkmalen motivischer und stilistischer Art auf nahezu allen Gattungen von Gebrauchsgegenständen. In den verschiedenen Zeithorizonten ist die Einheitlichkeit der Bildersprache über geographisch weite Regionen verblüffend. Sie lässt sich nur durch einen Konsens, eine gemeinsame Identität der Hersteller und Nutzer erklären. Mit ihr stellen sich die germanischen Kulturen des 1. Jahrtausends als eine regelrechte »Bildkultur« dar – im bewussten Gegensatz zu den »Buchkulturen« antiker und christlicher Traditionen.
In ihrer Blütephase wird die Bildkunst vom 5. bis zum 8. Jahrhundert mit dem Begriff »Tierornamentik« bezeichnet. Doch auch in den vorangehenden und nachfolgenden Epochen seit der Zeitenwende und bis hinein in die Romanik lassen sich spezifische Elemente germanischer Kunst definieren. Dass nicht etwa regionale Themen wie einzelne Herrscherportraits auf diesen Bildern visualisiert wurden, sondern überregional dieselben Motive und Techniken Verwendung fanden, ist für das Verständnis der jeweiligen gesellschaftlichen Strukturen und Zusammenhänge grundlegend wichtig.
Normierte Bilder, die aber nicht zentral hergestellt und vertrieben werden, sondern wie hier in der gesamten Region ihrer Verbreitung durch eine Vielzahl unterschiedlicher lokaler Werkstätten entwickelt und angefertigt werden, lassen einen allgemeinverständlichen und für alle bedeutsamen semantischen Bildinhalt vermuten. Als Kontext der Deutung bietet sich die Mythologie an: Vermutlich handelt es sich um Chiffren aus der Götterwelt, der polytheistischen „Asenreligion“ mit ihrem Hauptgott Odin. Als »Heilsbilder« sollten solche Bilder den sie nutzenden Menschen Glück bringen und Unheil von ihnen abwenden.
Zentrale Forschungsfelder bieten dabei Objekte mit germanischen Tierstilbildern, darunter auch die völkerwanderungszeitlichen Goldbrakteaten. Dazu kommen auch die späteren gotländischen Bildsteine bis hin zu wikingerzeitlichem Schmuck. Über alle Epochen hinweg sind die Einflüsse aus dem Süden, insbesondere des Christentums, zu untersuchen und Gemeinsamkeiten wie Unterschiede der jeweiligen Bildersprachen zu formulieren. Entscheidend für das Verständnis der mit Bildern kommunizierenden Gesellschaften ist auch die Rekonstruktion des Netzwerkes vorstädtischer Zentralplätze, welches die Basis für die Konzeption und Herstellung von Bildern bot. Im internationalen Diskurs werden neue Erkenntnisse gewonnen und mit Wissenschaftler*innen auch benachbarter Disziplinen diskutiert und publiziert.
Research clusters
Man and Artefact
Research Priorities
Visual History
Staff
Chiefs:
Prof. Dr. Alexandra Pesch
In cooperation with
Internationales Brakteatenteam.
The legacy of Karl Hauck
In 2007, the academic estate of the internationally renowned Early Medievalist Karl Hauck (1916–2007) came into the possession of Dr A. Pesch and today it is stored at the ZBSA.
Karl Hauck was one to the most innovative, productive and influential historians of the 20th century. As a professor at the University of Erlangen (1950–1959), and Director of the prestigious Institute for Early Medieval Studies that he founded at the University of Münster (1959–1982), he was engaged in various subject areas within the field of research bridging Germanic paganism and Christian Europe. Numerous of his works on medieval annals, about semantics and on the understanding of Germanic imagery were ground-breaking.
Besonders im letzten Punkt hatte Karl Hauck sich ein bis dahin nur selten ernsthaft beachtetes Forschungsfeld eröffnet. Seit den 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts war er mit der systematischen Beschreibung, Veröffentlichung und Deutung der völkerwanderungszeitlichen Goldbrakteaten – in beinahe 70 erschienenen Einzelstudien und dem großen Katalog »Die Goldbrakteaten der Völkerwanderungszeit« in sieben Bänden – beschäftigt. Dabei war ihm die Interdisziplinarität stets ein besonderes Anliegen. Beständig und eng arbeitete er mit Forschern anderer Fachrichtungen zusammen, insbesondere mit Vertreter*innen der Archäologie, Runenkunde, Skandinavistik und Religionswissenschaft.
Im Nachlass befinden sich vor allem Ordner mit Unterlagen zum Ikonographischen Katalog der Goldbrakteaten, außerdem Dias, Fotos und Zeichnungen. Von Bedeutung ist die umfangreiche wissenschaftliche Korrespondenz mit zahlreichen Fachgelehrten des In- und Auslandes. Außerdem sind Skizzen- bzw. Ideenbücher erhalten, die vorwiegend aus der Zeit stammen, als noch nicht fotokopiert werden konnte. Einige bisher unveröffentlichte Manuskripte und Entwürfe schließlich krönen das Material. Für die Erschließung des gesamten Nachlasses wurde eine Datenbank angelegt, welche nach Stichwörtern den Zugang zur gezielten Auswertung sämtlicher Unterlagen ermöglicht und auch Gästen die Arbeit mit dem Material erlaubt.
The first projects utilising the data are taking place in parallel with the registration work. At the forefront stands research into the Gotlandic picture stones championed by Hauck in the 1950s. With the aid of the, at that time, ultra-modern latex casts, Hauck succeeded in rendering visible the fine lines on the picture stones. These lines derive partly from drawings incised in the still soft stone, on the basis of which the motives were subsequently chiselled out, partly perhaps also from non-executed and painted-over sketches; still others served as guide lines for the coloured painting of surfaces. Hauck also thought he could identify large previously unnoticed picture elements. Unfortunately, it was not possible in this way to photograph, and thereby illustrate objectively, all the features visible under changing light conditions at the same time. Consequently, Hauck only produced preliminary publications of his findings and then abandoned the whole project. In the meantime, the latex casts have also been lost. It is now only possible to reconstruct some of the identified picture details on the basis of the slides surviving in his estate.
However, these show many picture stones in a completely different light and this phenomenon is now being investigated by Dr Sigmund Oehrl in a joint project. The famous richness of detail seen on the picture stones is being examined using modern methods (computer scanning) and then correlated with Hauck’s observations.
Im Rahmen der Nachlassbearbeitung wird auch die erneute Publikation einiger Schriften Haucks sowie auch die Herausgabe von teilweise bisher unveröffentlichten Schriften angestrebt. Dies geschieht insbesondere in Kooperation mit Prof. Dr. Wilhelm Heizmann (München) und Dr. Morten Axboe (Kopenhagen).