Februar 2020

Hund, Wolf und Mensch zur Wikingerzeit – eine Dreiecksbeziehung neu gedacht

Krzysztof Patalan

Durch die Wiedereinwanderung des Wolfs ist auch in Schleswig-Holstein die gesellschaftliche Diskussion über diese Art und ihre Beziehung zum Menschen und seinen Haustieren voll entbrannt, und an der laufenden Debatte sind verschiedene Wissenschaften beteiligt, von der Jurisprudenz bis zur Wildbiologie. Auch Geschichtswissenschaft, Archäologie und Archäozoologie liefern, wenn sie die wechselvolle Beziehungsgeschichte zwischen Wolf und Mensch im Laufe der letzten Jahrtausende erforschen, wichtige Beiträge zum Thema. Dabei zeigt sich, dass unterschiedliche kulturelle Perspektiven und Symbole sowie seit dem Mittelalter das negative Image der Art in der christlichen-jüdisch Religion entscheidende Rollen spielen. Am ZBSA wird derzeit ein Forschungsprojekt entworfen, der das Verständnis der historischen Beziehungen zwischen Mensch und Wolf speziell mit Fokus auf das mittelalterliche Schleswig-Holstein verbessern soll. Der entscheidende Punkt ist dabei natürlich, die aus jener Zeit stammenden Wolfsknochen überhaupt als solche zu identifizieren, nur so können ja weiterreichende Schlussfolgerungen gezogen werden.

Über die wikingerzeitlichen Hunde in der Region des Weltkulturerbes Danewerk-Haithabu sind wir Dank der umfassenden Publikationen der 1980er und 1990er Jahren gut informiert. Die jeweils über eintausend Hundeknochen aus Haithabu (750–1066 n.Chr.) und Schleswig (mit gewisser Überlappung direkt zeitlich anschließend) sind für sich ein bleibender und bislang nicht zur Gänze erforschter wissenschaftlicher Schatz, hinzu kommen Knochen von weiteren Fundplätzen der Zeit (Elisenhof, Ribe, Oldenburg/H. und andere). Alle eint die jeweils sehr geringe Anzahl von Wolfknochen. Das wirft Fragen auf: Waren Wölfe in der Umgebung ihrer Siedlungen tatsächlich so selten, wie es die Fundzahlen suggerieren? Bestand möglicherweise ein Jagdtabu? Wurden die Wolfknochen bislang übersehen bzw. fehlbestimmt? Wie war generell das Verhältnis der Wikinger und ihrer Zeitgenossen zum Wolf? Die Frage zur Häufigkeit des Wolfes in Schleswig-Holstein vor 1000 Jahren und seinem damaligen Image wird abschließend nur unter Berücksichtigung von historischen Quellen beantwortet werden können, doch zunächst sind archäozoologischen Grundlagen zu schaffen. Dazu zählt in erster Linie die Neubewertung der vorliegenden Funde mit Hilfe von neuen, jüngst erarbeiteten morphometrishen Analyseverfahren.

Wolfschädel aus der Archäozoologische Vergleichssammlung der AZA.

Darüber hinaus wurden als Basis neu definierter geometrischer Abmessungsverfahren innovative Methoden mit 3D modellierenden Aufnahmen und Fotogrammmetrie etabliert. Wesentlich weiterentwickelt sind inzwischen auch die statistischen Ansätze zur Auswertung und Aufschlüsselung von merkmalsähnlichen Datensätzen. In unserem Kontext liefert entsprechende Software Informationen zur Variabilität innerhalb und zwischen Populationen und zu Differenzierungsprozessen. Des Weiteren sind die Faktoren, die zur diesen Prozessen führen, statistisch signifikant zu identifizieren. Die Verwendung von Principal Component Analyse (PCA) und Discrimination Factor Anlyse (DFA) wurde als neue, komplexe und zu unserem Zweck höchst geeignete methodologische Vorgehensweise vorgeschlagen und angewandt. Die Wolf/Hund-Schädel, die bei den Ausgrabungen in der Region des Weltkulturerbes Danewerk-Haithabu entdeckt wurden, sollen im Rahmen dieses Projektes mit den genannten Verfahren der geometrischen Morphometrie neu untersucht werden.