Mensch und Artefakt

Der Nord- und Ostseeraum lässt sich durch die Zeiten im Spiegel des Fundmaterials vielfach als eigenständiger und zusammengehöriger Kommunikationsraum erkennen. Von den steinzeitlichen Jägern und Sammlern bis zu den germanischen Kulturen des Frühmittelalters schufen die Menschen spezielle Artefakte, deren funktionale, technologische, typologische, zeitliche und kulturelle Einordnung traditionell das Basishandwerk der Archäologie bildet.

Auf dieser Grundlage lassen sich aus einzelnen Artefakten und ganzen Objektgattungen weitreichende Schlüsse über die sie herstellenden und nutzenden Personen ziehen: Individuelle Lebenswege, komplexe Gesellschaftsstrukturen und deren Wertvorstellungen sind mit interdisziplinären Methoden als Aspekte menschlichen Daseins in historischer Dimension rekonstruierbar.

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Gleichzeitig sind Fragestellungen der kognitiven Archäologie relevant, indem die Motive, Ziele und geistigen Hintergründe sowohl einzelner Artefakthersteller als auch ganzer Gesellschaften bearbeitet und die Entwicklung allgemeiner menschlicher Vorstellungswelten und Mentalitäten erforscht werden. Die Form bzw. das Aussehen eines Artefaktes ist Produkt bewusster wie auch unbewusster Prozesse. Seine Anfertigung und Gestaltung sind abhängig von vielen Parametern, etwa den intellektuellen, physiologischen und technologischen Kapazitäten der Hersteller, wie auch von deren Ressourcen. Doch nur zum Teil bestimmten die Funktionalität oder der persönliche Geschmack des Herstellers die konkrete Formgebung eines Objektes. Vielmehr waren Traditionen und Konventionen, kulturelle und religiöse Gründe für die Gestaltung von Artefakten und insbesondere für jegliche Art von Verzierung auf ihnen ausschlaggebend. Denn Handwerk und Technologie waren immer vorwiegend kulturell bedingt. Daher eignet sich die Erforschung technologischer Standards auch als Schlüssel zum Verständnis einer Gesellschaft allgemein. Es können wertvolle Hinweise auf deren Fähigkeiten, Möglichkeiten, die interne Organisation wie auch auf interkulturelle Beziehungen gewonnen werden, deren Einflüsse beispielsweise als technologische oder ikonographische Innovationen im Fundmaterial sichtbar sind.

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Umgekehrt wirkt die materielle Kultur, sei es in standardisierten Artefaktgruppen, charakteristischen Formen oder typischen Verzierungen, auch auf Menschen. Das Aufwachsen und Leben in einem bestimmten Artefaktmilieu prägt die Angehörigen dieses Umfeldes. Ihre Interaktion mit den Objekten schafft individuelle wie auch kulturell-gesellschaftliche Identität. Dies gilt insbesondere für figürliche oder ornamentale Verzierungen, die beispielsweise im Nord- und Ostseeraum des ersten Jahrtausends mit dem Tierstil eine einzigartige, charakteristische Ausprägung erlangten. Warum die Menschen aber zu bestimmten Zeiten nur ganz bestimmte Typen von Objekten schufen oder eben ganz bestimmte Arten von Motiven und Stilen, und wann, wie und warum sich diese Normen dann weiterentwickelten bzw. veränderten, sind Fragen, die in diesem Themenbereich bearbeitet werden. So beleuchtet der Themenbereich “Mensch und Artefakt” im ZBSA diachron und interdisziplinär die kulturbedingte materielle Kommunikation und das Spannungsverhältnis von Mensch und Ding.

Dem Themenbereich gehören folgende Forschungsschwerpunkte an:

Bildforschung
Heeresausrüstungsopfer
Technologie – Tradition und Innovation

Laufende Forschungsprojekte des Themenbereichs: