Bernsteinartefakte von der Römischen Kaiserzeit bis zur Vendelzeit in Nordeuropa
Karl Johann Offermann M.A.
Bernsteinartefakte von der Römischen Kaiserzeit bis zur Vendelzeit in Nordeuropa
Bernsteinfunde bilden eine wichtige Fundkategorie in der Archäologie, da sie abhängig von Fundort, Fundkontext und Artefaktgruppe in der jeweiligen Menschheitsepoche eine große Aussagekraft zum individuellen oder gesellschaftlichen Stellenwert eines Materials besitzen.
Abseits der vom Baltikum nach Mitteleuropa verlaufenden und gut erforschten „Bernsteinstraßen“ zeigt in Nordeuropa zu Beginn und Mitte des 1. Jahrtausends n. Chr. der aktuelle Forschungsstand zu Bernstein jedoch mehrere Lücken auf und nur wenige Regionaluntersuchungen und Materialstudien existieren. Gleichwohl birgt die Erforschung von Bernstein als Rohstoff und bearbeitetes Artefakt das Potenzial, das regionale und überregionale gesellschaftliche Handeln sowie Vorstellungen und Traditionen über mehrere Jahrhunderte hinweg in diesem Gebiet nachzuzeichnen.
Hier setzt das Dissertationsprojekt an, das sich in zwei Abschnitte gliedert. Im ersten Schritt erfolgt eine überregionale systematische Aufnahme der publizierten und unpublizierten Bernsteinfunde von der Römischen Kaiserzeit bis zur Vendelzeit aus ausgewählten Ländern/Regionen (Norddeutschland, Dänemark, Norwegen und Schweden), um einen Gesamtüberblick über das Material zu liefern.
Den größten Anteil innerhalb des breiten Spektrums an Bernsteinartefakten machen Perlen aus, die vornehmlich als Schmuck- bzw. Trachtbestandteil zu klassifizieren sind. Daneben liegen andere Formen wie Anhänger/Amulette, Spinnwirtel, Schwertperlen oder Spielsteine aus Bernstein vor. Sie verdeutlichen, dass das Material auch symbolische und damit sehr vielseitige Eigenschaften innerhalb der damaligen Gesellschaften besaß. Schließlich stehen diese Funde in einer weiteren Beziehung zum Besitzer/Nutzer, die über den Schmuckcharakter hinausgeht. Außerdem lassen Rohstücke von Siedlungen auf eine regelmäßige Verarbeitung von Bernstein schließen. Neben einigen Hort- und Opferfunden stammt die überwiegende Mehrheit der Bernsteinfunde im Untersuchungsgebiet hingegen aus Gräbern.
In dem zweiten Projektabschnitt werden auf Grundlage der erhobenen Daten und unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Fundkontexte einerseits gesellschaftliche Wertevorstellungen anhand der facettenreichen Nutzung von Bernstein untersucht. Andererseits lassen sich inter- und intrakulturelle Produktions- und Austauschprozesse sowie Transportmechanismen in Skandinavien mithilfe der Untersuchungsergebnisse und der Fundverteilung analysieren. Schließlich liegen im Gegensatz zum Grenzhandel zwischen Barbaricum und Römischem Reich in Nordeuropa nur wenige Untersuchungen zum Austausch und Handel einer bestimmten – germanischen – Sachgruppe vor. Beispielsweise ist es bisher ungeklärt, inwiefern etwa Zentralplätze, wandernde Handwerker oder der Einfluss germanischer Eliten eine Rolle bei der Bernsteinverbreitung gespielt haben.
Darüber hinaus stellt eine wissenschaftliche Auswertung des skandinavischen/norddeutschen Materials auch einen Beitrag für die Bewertung von mittel- und südeuropäischen Bernsteinfunden dar. Im Hinblick auf die Herkunft des Rohmaterials könnte Südskandinavien als Herkunftsort oder – wie es einige Verbreitungsmodelle bereits vorschlagen – als Zwischenstation des Bernsteinhandels vom Baltikum in das Rheinland, entlang der Ost- und Nordseeküste, eine Rolle gespielt haben.
Themenbereiche
Technologie – Tradition und Innovation
Forschungsschwerpunkte
Mensch und Artefakt
Mitarbeiter
Karl Johann Offermann M.A.