Sinking Coasts: Geosphere, Climate and Anthroposphere of the Holocene Southern Baltic Sea (SINCOS-II)
Für das ZBSA: Prof. Dr. Claus von Carnap-Bornheim, Dr. Harald Lübke, Dr. Ulrich Schmölcke
Von 2002 bis 2009 wurde in dem interdisziplinären Forschungsprojekt SINCOS exemplarisch das Zusammenwirken klimatologischer, geologischer und ökologischer Faktoren auf kulturelle Entwicklungen der letzten 8000 Jahre im südwestlichen Ostseeraum untersucht.
Die Ostsee eignet sich als Modellraum für Untersuchungen dieser Art besonders, da hier im Verlauf der letzten 12000 Jahre tiefgreifende Umweltveränderungen stattfanden, die ab etwa 6000 v. Chr. in die Entstehung der heutigen Ostsee mündeten. Damals führte ein weltweiter Meeresspiegelanstieg zur Überflutung der jahrtausendelang bestehenden Landverbindung zwischen Zentraleuropa und Skandinavien und zum Eindringen des Weltmeers in das waldbestandene, seenreiche Ostseebecken. Dieser Prozess hat nicht nur die Fauna von Grund auf verändert, er wird für die Kulturentwicklung der Jäger-, Fischer- und Sammlergruppen von ähnlich großer Bedeutung gewesen sein wie die zeitgleich abgelaufene Neolithisierung des binnenländischen Mitteleuropas.
Am ZBSA wird untersucht, in welcher Weise und in welchem Umfang die prähistorischen menschlichen Gemeinschaften durch Anpassung ihrer Ökonomie, ihrer Sozialstrukturen und ihrer Kommunikationsnetzwerke auf den Landschaftswandel reagiert haben. Die Untersuchungen konzentrieren sich auf die Mecklenburger Bucht und die Küstengewässer der Insel Rügen. Die Lage der beiden Schwerpunktregionen westlich bzw. östlich der Darßer Schwelle ermöglicht vergleichende Analysen der Kulturentwicklung in zwei unterschiedlichen Großregionen.
Zum Erreichen der Forschungsziele war primär eine Untersuchung ausgewählter prähistorischer Siedlungsplätze erforderlich. Während der letzten Jahre konnten im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten SINCOS-Projektes zahlreiche neue Fundstellen entdeckt und analysiert werden, die überwiegend dem Spät- und Endmesolithikum des 6. und 5. vorchristlichen Jahrtausends angehören. Die Fundstellen sind zum Teil durch außergewöhnlich gute Erhaltungsbedingungen gekennzeichnet und ermöglichten bereits eine vorläufige Neugliederung der endmesolithischen Kulturen in mehrere Entwicklungsphasen parallel zu den Veränderungen der Umwelt.
Die Menschen stellten während des untersuchten Zeitraums ihre Ernährung mehrfach um: Auf die Epoche der Jagd auf Großsäuger des Waldes und der Fischerei in Seen und Flüssen folgte eine Zeit intensiver Nutzung der neuen marinen Ressourcen, insbesondere von Robben und Meeresfischen, bevor sich letztlich die ökonomische Wende hin zu Ackerbau und Viehhaltung vollzog. Jedoch existierte die Kultur der Meeresfischer und Robbenjäger mehr als 1000 Jahre in unmittelbarer Nachbarschaft zu den südlich der Elbe ansässigen Bauern – ein Zeichen für die Fruchtbarkeit des jungen Meeres.
Die Geländearbeiten im Rahmen dieses Projektes wurden im Frühjahr 2009 zum Abschluss gebracht. Im Anschluss erfolgte eine erste Auswertung der spätmesolithischen Flintinventare sowie der archäozoologischen Funde durch Wissenschaftler des ZBSA. Insgesamt werfen die interdisziplinären Untersuchungen ein facettenreiches Schlaglicht auf die mit den Umweltveränderungen, aber auch mit dem ab 4000 v. Chr. einsetzenden Neolithisierungsvorgang verbundenen Anpassungsprozesse der einheimischen Jäger-Fischer-Sammler-Gemeinschaften. Die Ergebnisse dieser Forschungen sind in dem Abschlussbericht des Teilprojektes IV zusammengefasst, an dessen Erstellung die am ALM und ZBSA beschäftigten Mitarbeiter maßgeblichen Anteil hatten. Mit dessen Publikation als Teil des Gesamtberichtes des von der geförderten DFG-Paketantrages SINCOS-II im Bericht der Römisch-Germanischen Kommission 92, 2011 Ende 2014 ist das Projekt offiziell abgeschlossen.
Darüber hinaus wird der gewonnene Datenbestand ebenso wie das umfangreiche archäologische und naturwissenschaftliche Fundmaterial noch über Jahre weitere Forschungen auch am ZBSA ermöglichen. So erfolgt die Weiterführung der vergleichenden faunistischen Betrachtungen bis ins 1. nachchristliche Jahrtausend hinein, in dem die ersten frühstädtischen Siedlungen ganz neue Rahmenbedingungen für die Nutzung der Umweltressourcen – insbesondere der Ostsee – schaffen, am ZBSA im Rahmen des Projektes Landschaft und Fauna Ost- und Mitteleuropas im Kontext von vorgeschichtlichem Kulturtransfer und sozioökonomischer Entwicklung.
Interdisziplinäre Untersuchungen speziell zum steinzeitlichen Kulturerbe der submarinen Fundstellen sind in dem Projekt Post-Sincos – Aktuelle Forschungen zur Steinzeit in der südwestlichen Ostsee zusammengefasst.
Themenbereiche
Mensch und Umwelt
Forschungsschwerpunkte
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Mitarbeiter
Leitung:
Prof. Dr. Claus von Carnap-Bornheim
Dr. Harald Lübke
Dr. Ulrich Schmölcke
In Kooperation mit
Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW)
Römisch-Germanische Kommission (RGK),
Deutsches Archäologisches Institut (Frankfurt/Main)
Landesamt für Kultur und Denkmalpflege,
Mecklenburg-Vorpommern (Schwerin)
Niedersächsisches Institut für Historische Küstenforschung (Wilhelmshaven)
Institut für Geographie und Geowissenschaften,
Universität Greifswald
Institut für Planetare Geodäsie,
TU Dresden
Abteilung »Paläoklimatologie«,
GKSS Forschungszentrum Geesthacht
Kieler Graduiertenschule »Human Development in Landscapes«
Projektleitung: Prof. Dr. Jan Harff (IOW/Universität Stettin; Sprecher) und Prof. Dr. F. Lüth (RGK; Stellv. Sprecher).
Unterstützt durch
Deutsche Forschungsgemeinschaft
2002 bis 2005
DFG-Forschergruppe „SINCOS“ (FOR488);
Unterprojekt 1.6 „Prehistoric Settlements and Development of the Regional Economic Area“(LU537/6-1)
2006 bis 2009
DFG-Paketantrag „SINCOS-II“ (PAK81);
Teilprojekt 4 „Prehistoric Settlements and Development of the Regional Economic Area“(LU537/11-1)